Dienstag, 2. Februar 2010

bedarfsgerechte Medien

Wer noch gern morgens Papier in die Hand nimmt, um sich des wichtigsten Bedürfnisses des Tages zu entledigen, plant vielleicht in diesen Tagen bereits eine Medienflucht. Leider ist der Wunsch, direkt mit der Materie in Kontakt zu kommen, oft unpassend, sehr aufwendig und nicht immer zielführend. Ein Medium ist hierfür schon wichtig, aber welches? Medien gibt's in soft und besonders soft. Doppellagiges schützt vor starkem Durchgriff.

Da scheint die Bildzeitung des Bildungsbürgertums schon eine gute Wahl. Emotional und doch irgendwie kompetent werden vom Spieglein nicht nur Themen mit größeren Textpassagen diskutiert, hier findet man auch Zahlen im Text. Doch Mehrlagigkeit hat einen großen Nachteil. Die Dinge können unter Umständen verschmiert werden, statt gezielt gegriffen und behandelt. Auch Emotionalität befördert den Anwender tiefer in die Dinge als gewollt.

Als Darwin seine Evolutionstheorie schuf, ging es ihm nur darum, wie Arten entstehen konnten. Heute begreifen wir, daß wir zu einem Großteil aus den Eindrücken bestehen, die in unserer kurzen Lebenszeit auf uns einwirkten. Wir werden zum Teil unserer Umgebung, wir passen uns an. Und so wirkt auch das, was wir tagtäglich lesen und von Freunden desselben Mediums interpretiert wird, wesentlich auch unsere Werte, unser Gewissen und vor allem auf unsere Entscheidung.

Der oft beschriebene Wille reduziert sich dann auf die Entscheidungsfreiheit, in einem fremden Universum an einer Weggabelung den hübscheren Weg zu bevorzugen. Wenn nun dieses Universum nicht der Realität entspricht? Es ist nur offensichtlich, daß der hübschere Weg ggf. als solcher ausgelegt wurde. Und es ist nicht einmal gesagt, daß beide Wege nicht zum selben Ziel führen würden. Zu welchem Ziel eigentlich?

Klaus Merten sieht die Lüge inzwischen als einen unverzichtbaren Teil der Kommunikation an. Der Kommunikationswissenschafter ist dabei nicht unmittelbar revolutionär, sondern nahm schon im Jahr 2006 das für Anthropologen als Gemeingut betrachtete und fragte berechtigt, warum soll dies gerade für die Kommunikations- und Medienbranche nicht gelten? Wer verbietet kleine und große Lügen?

Er befand, sie sind strukturell und psychologisch bedingt und ein tagtäglicher Bestandteil der Kommunikation. Vor allem Mitarbeiter der PR- und Presseabteilungen wären für Ihre "Drecksarbeit" berüchtigt und entsprechend entlohnt. Ein aufgeklärter humboldtscher Weltbürger werden Sie also mit klassischen mehrlagigen Medien nimmermehr. Meiden Sie auch Meinungen von Pressesprechern bei überlebenswichtigen Projekten.

So empfiehlt der Autor, bedarfsgerecht zum jeweils passenden Medium zu greifen, das Spieglein zum Morgen für die Toilette, das Internet für den Wissensdurst.


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