Sonntag, 18. Oktober 2009

Virtuelle virtuelle Realität

Als Medium ist das Internet nicht virtueller als jede Tageszeitung. Man kann es zwar nicht anfassen, aber alle Dinge, die man darin liest oder sieht, sind nach Meinung der Autoren ausgewählt und in Szene gesetzt. So mancher hat sich schon an die Diskussionen gewöhnt, ob ein Autor nicht eigentlich Werbung machen würde, warum dies oder jenes Thema totgeschwiegen oder warum ein Sachverhalt einseitig dargestellt würde. Es ist also nicht die Realität, die man bewundert, sondern etwas virtuelles. Wer im Internet liest, erkennt das bei Zeitungen umso mehr. Doch die bekannten Zugangsprovider bringen diese Virtualität in eine neue Dimension, in ihre eigene.

Stellen Sie sich vor, sie schlagen die Sonntagszeitung auf. Sie erwarten die üblichen schlechten Nachrichten, ein witzige Begebenheit und ein Kreuzworträtsel, vielleicht noch ein Sudoku. Doch heute sind die Bilder irgendwie unscharf. Das untere Drittel aller Seiten fehlen völlig und jede Anzeige - auch die Kleinanzeigen - wurden vom regionalen Bäcker aufgegeben. Das Sudoku fehlt völlig. Klingt absurd?

Stateful Packet Inspektion macht es möglich, zumindest im Internet. "Wer [..] die mobilen Datendienste von T-Mobile oder Vodafone nutzt und dabei eine Webseite aufruft, muss sich einer Tatsache bewusst sein: Er bekommt nicht die Informationen übermittelt, die der Anbieter von seinem Server abschickt.", meint ZDNet. Bilder werden verändert, Inhalte reduziert und Javascript eingeschleußt. Sowas kannte man bisher nur von Hackern. Es wird virtueller.

Wer Zensursula mit ihrer Internetzensur im Blick hat, liegt weit daneben. Dieses Kapitel kommt noch. Derzeit geht es den Anbietern nur um Bits und Bytes. Für jedes Byte gespaarte Bandbreite, wird der Inhalt verbogen, verdreht, zerhakt und am Ende in komprimierten Fragmenten ausgeliefert.

Ein Schelm, wer sich bisher Teil einer langfristigen Modernisierung des mobilen Internets (Long Term Evolution) vermutete. Mit Bandbreiten von bis zu 14 Mbits wurde bereits geworben.

Doch wer UMTS bereits in Nutzung - oder besser zum experimentieren - hat, der wird wissen, daß ein UMTS-Zugang - sollte er überhaupt vorhanden und nicht spontan auf EDGE oder GPRS zurückgefallen sein - nur mit 200 Kbits daherkommt und damit kein Bild und Seite unter einer Minute übertragen kann. Breitband war das noch nie. Nun bekommt man mit dem mobilen Modem nur noch Datenreste, Müll.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht verbietet Zensursula in Zukunft das Internet komplett, dann muss man sich als UMTS-Nutzer auch nicht mehr über Datenreste beschweren. Oder man wechselt zum WMAN. Dort wird noch beim Kunden abgeliefert, was vom Server des Anbieters auf die Reise geschickt wurde.


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